Wiedergelesen: „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz (1958)

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Jeder kennt es, jeder hat es durchgemacht: Pflichtlektüre im Deutschunterricht. „Nackt unter Wölfen“ stand ganz oben auf dieser Liste und als Schülerin habe ich mich mit dem Roman sehr gequält. Heute kann ich das nur schwer nachvollziehen, da das Buch derartig auf sein Ende hin motiviert ist, dass es sich, trotz seines Themas, spannend wie ein Thriller liest. Die Sprache ist glasklar, beinah sachlich. Nur in Momenten, in denen die Figuren an ihre existenziellen Grenzen stoßen, springt sie in expressiver Metaphorik nach außen und dem Leser ins Gemüt. Das liest sich alles andere als zäh und langweilig. 

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Kilometerweit getragen, gelangt ein zerschlissener Koffer ins Lager Buchenwald und in dem Koffer ein dreijähriges Kind, das, in Gefangenschaft geboren, keine Menschen kennt, nur Häftlinge und SS, Vertrauen und Verstecken. Als schutzbedürftiges Kleinod wandert es, nach kurzem Zögern, zwischen den Häftlingen hin und her und wird ausgerechnet dort zum Symbol des Menschseins, wo das Menschsein ausgelöscht werden soll, gibt den Insassen Mut, wo die Lagerkommandatur mit nahendem Kriegsende immer unberechenbarer wird: „Ist es nicht im Grunde unser aller Kind“? Tag um Tag schrumpft das Nadelöhr Buchenwald, durch das die Figuren unversehrt zu schlüpfen hoffen, seien es Häftlinge, wie Höfel, Kropinski und Pippig oder die SS-Wächter Schwahl, Reineboth und Zweiling, die in neurotischer Borniertheit ihr Werk vollenden, der kommunistischen Widerstandsgruppe ILK auf die Schliche kommen, aber dennoch alle Spuren der Vernichtung verwischen wollen – bis die Situation schließlich kollabiert: „Einer Nußschale gleich schaukelte das Kind über den wogenden Köpfen. Im Gestau quirlte es durch die Enge des Tores, und dann riß es der Strom auf seinen befreiten Wellen mit sich dahin, der nicht mehr zu halten war.“

 

Passend zum Buch: Die gleichnamige und gleichsam zeitlose Verfilmung des Romans von Frank Beyer (1963) mit Armin Müller-Stahl und Erwin Geschonneck in den Hauptrollen …

„Ich möchte lieber nicht“

Bartleby the Scrivener (1853) von Hermann Melville

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BartlebyVom stummen fleißigen Bienchen zum verträumten Mauerblinzler:  Ich möchte lieber nicht, quittiert der Aktenkopist Bartleby alle an ihn herangetragenen Fragen und Aufgaben, treibt seinen Arbeitgeber in den Wahnsinn, aus der Kanzlei und die Kanzlei aus dem Gebäude. Nüchtern, fast schläfrig trägt er sein unverschämt höfliches Sätzchen der stillen Verweigerung vor, dass an ihm jeder Widerstand zerbirst, die Welt um Bartleby herum aus dem Takt gerät, während er hinter seinem Bürowandschirm träumt, schläft, atmet und Ingwernüsse knabbert. Ich habe das Kopieren aufgegeben – Kündigung? Bewerbungen? Neue Stellung? Miete? Konsum? Bankenrettung? NSA-Überwachung? Klimawandel?

– Ach, ich möchte lieber nicht.

„Der Hobbit“ (2012-2014)

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Zugegeben, es wird einer Trilogie nicht wirklich gerecht, sie nur knappestmöglich in wenigen Sätzen zu rezensieren. Tatsache ist allerdings, dass die drei Hobbit-Filme binnen drei Jahren in den Kinos anlaufen. Eine ausführliche Rezension lohnt meines Erachtens demnach erst, wenn das Puzzle komplett ist – das ist im Dezember 2014. Bis dahin gibt’s hier KURZ GEFASST sechs kritische Sätzchen zu Der Hobbit – Eine unerwartete Reise und Der Hobbit – Smaugs Einöde.

Musste sich die „Herr der Ringe“-Filmtrilogie allein an J.R.R. Tolkiens großartigem Mittelerdeentwurf messen, ist Peter Jacksons Verfilmung selbst zum Maßstab für sein neues Vorhaben „Der Hobbit“ avanciert. Der Zuschauer achtet demnach auf die Feinheiten und jene ganz besondere Mittelerdestimmung, die Jackson in „Eine unerwartete Reise“ und „Smaugs Einöde“ mit der Zwergenaventiure  tatsächlich wieder erzeugen kann.

Das liegt nicht zuletzt an der detailverliebten  Ausstattung der Szenen und Darsteller, den sympathischen Figuren, ob bekannt oder unbekannt, und der stimmigen Musik von Howard Shore. Peter Jackson scheint alles richtig zu machen, wenn er Gut und Böse in actionreichen Szenen gegeneinander kämpfen lässt, leises Liebesgesäusel zwischen einem Zwerg und einer Elbin entwirft und Gandalfs Suche nach dem Nekromanten, die in Tolkiens Roman nur angedeutet ist, in Szene setzt und damit den „Herr der Ringe“ vorwegnimmt.

Doch es kündigt sich an, das Aber: die Kampfszenen sind oft unnötig lang gestreckt, tendieren ins Aberwitzige und, sofern aussichtslos, werden sie von Gandalf gleich einer Deus ex machina aus dem Nichts herumgerissen; solche Zufälle sind zu oft notwendig, um die Handlung voranzutreiben; andere Erzählstränge führen dagegen ins Nichts; dafür scheint stellenweise an der Figurenformung und der Logik der Dialoge gespart worden zu sein, was zum Beispiel im Gespräch zwischen „Fassreiter“ Bilbo und „Smaug dem Goldenen“ zu Buche schlägt.

Aber das sind Einzelheiten, die das Filmerlebnis in 3D nur bedingt trüben und umso mehr auf den dritten Teil verweisen, der den Gesamtentwurf komplett macht – erst dann wird sich zeigen, wieviel die Feinheiten wiegen.

… bis dahin überbrückt Ed Sheerans Schmankerl „I see Fire“ die Wartezeit: